Principles of Karate

Principles of Karate

Es gibt da ein recht unbekanntes, dünnes und dennoch sehr wertvolles Buch, das Principles of Karate heißt und von einem Meister geschrieben wurde, der inzwischen leider verstorben ist. Sein Name war Kazumasa Yokoyama und er war der Leiter des Kenshin-Kaikan Karate-Do.

Der Titel dieses Buchs war tatsächlich eine Inspiration für meine Deutschübersetzung von Prinzipien des Karate, weil dieser Titel so simpel ist und dennoch die Hauptbotschaft in sich trägt. Auch wenn beide Bücher sehr verschieden sind und ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die Kampfkunst Karate haben, betrachte ich sie wie zwei Geschwister, die unzertrennlich sind.

Was sind Prinzipien?

Prinzipien sind Grundlagen. Unveränderliche Konstanten, die immer gelten, egal welches Jahrtausend wir schreiben und egal in welcher Kultur wir leben. Zum Beispiel ist es der menschliche Körper, der sich in den letzten 10000 Jahren kaum geändert hatte: Das Bein bewegt sich so und so, der Arm so und so und wenn man hebeln oder jemanden werfen möchte, dann muss man das und das machen. Das sind nicht nur Anweisungen für die nächsten zehn Jahre, das sind Anweisungen für Jahrtausende (sofern wir uns nicht komplett in Androide verwandeln).

Während es bei Russ Smiths Prinzipien des Karate um Prinzipien von Techniken und Taktiken der Selbstverteidigung (sowie die Erstellung eines kompletten Trainingsplans) geht, so handelt es sich bei Kazumasa „Kancho“ Yokoyamas Principles of Karate um eine Anleitung zur Bewegung des Körpers. Damit ist dieses Buch für alle Kampfkünstler geeignet (egal ob Karate, Kobudo, Judo, BJJ oder whatever).

Die hier beschriebenen Prinzipien beinhalten den Schwung, die Nutzung der Schwerkraft, die verschiedenen Körperachsen, Training mit klassischen Waffen zur Verbesserung der Körperwahrnehmung (z. B. den Bo als Werkzeug für die synchrone Arbeit mit beiden Armen) und die Nutzung der Kata als Werkzeug für die Bewegungslehre.

Praktische Beispiele

Das Beispiel des Tobokuho, „des fallenden Baums“, hatte ich bereits in meiner Bachelorarbeit verwendet:

Diese Verwendung der Schwerkraft aus der Kata Passai zeigt wie man die fallende Anfangsbewegung zum effizienten Vorwärts-bewegen nutzen könnte. *


Auch interessant fand ich die Interpretation der „fallenden“ Bewegung in der Naihanchi/Tekki: Da, wo viele einen Beinfeger oder einen Angriff auf die Oberschenkelinnenseite interpretieren, da könnte auch eine Lehre der Schwerkraftnutzung drin stecken.

Natürlich ist damit nicht gemeint, dass man sich dumm in Richtung des Gegners fallen lässt und abwartet, bis der Winkel perfekt stimmt. Dies ist eine Übung, die das Gefühl für die Schwerkraft stärkt. Sie sollte als solche beachtet und genutzt werden!

Seit ich dieses Buch gelesen habe, konnte ich diese Bewegung nie wieder als Angriff empfinden, sondern nur noch als Bewegungslehre. Es fühlte sich einfach so natürlich und realistisch an. Ich meine…. ganz ehrlich und unter uns: Ein Beinfeger oder Oberschenkeltritt auf dieser Distanz, in dem Winkel und mit diesem Tempo? Leben wir und einer Anime-Realität?? Wer von den Leuten, die das so gelernt haben, haben es tatsächlich jemals so angewendet? Und wer von den hat es jemals als realistisch empfunden?
Macht da die Bewegungsschule nicht mehr Sinn?

Nutzwert

Es ist ein dünnes und eher günstig produziertes Buch von einer einzigen kleinen Schule aus den Niederlanden, aber es ist dennoch eins der wichtigsten Bücher, die jeder Karateka in seiner Bibliothek haben sollte. Es enthält deutlich mehr wertvolle Informationen als die massenhaft produzierten Bänder von Nakayama, Funakoshi oder Mabuni, die jeder kennt und besitzt und von den so viele irr-geleitet wurden. Dieses Buch ist ein ungeschliffener Edelstein, ganz ohne Bullshit.

In meiner persönlichen Bibliothek steht es direkt neben Principles of Effortless Power und Akira Hinos Don’t Think, Listen to the Body!,  zu dem ich noch eine Buchempfehlung schreiben werde, believe me!


* Mein besonderer Dank gilt A. J. van Dijk vom Wadokan Holland, der das Buch in Zusammenarbeit mit Kazumasa Yokoyama herausgebracht hatte und mir die Rechte zur Verwendung des Buchcovers sowie einiger Fotos genehmigt hatte.