Das sind die Shownotes zur Podcast-Episode #4: „Oss“
Andreas Quasts Artikel zu dem Thema: http://ryukyu-bugei.com/?p=5342 (nur noch über Patreon erhältlich).
Etymologische Auseinandersetzung zu dem Begriff: https://bit.ly/2RnlZ7A
Dan Carlin’s Hardcore History Podcast-Reihe „Supernova in the East“:
Episode I: https://www.dancarlin.com/product/hardcore-history-62-supernova-in-the-east-i/
Episode II: https://www.dancarlin.com/product/hardcore-history-63-supernova-in-the-east-ii/
Nach der Veröffentlichung des Podcasts hatte Dr. Wolfgang Herbert, Buchautor, Übersetzer und derzeit Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Tokushima, einen sehr ausführlichen Kommentar dazu abgegeben, den ich gerne mit dir teilen möchte. Er wirft noch etwas mehr Licht auf die Sache, vor allem was die Einstellung der älteren Okinawaner gegenüber diesem Wort angeht:
„Danke für den facettenreichen Beitrag. Der militaristische Hintergrund des ‚ossu‘ ist unbestritten. Von den GI’s stammt es ziemlich sicher nicht, es war längst im Umlauf, vor sie in Japan waren (zudem sind sie vor allem in Okinawa stationiert!) In den manga und anime hat ‚ossu‘ ein Eigenleben, das nicht der sozialen Realität entspricht. Von den alten Meistern in Okinawa zu erwarten, dass sie gutmütig lächeln, wenn ein unbedachtes ‚ossu‘ artikuliert wird, ist viel erwartet. Die Animositäten zwischen Japan und Okinawa sind jahrhundertealt. Seit der Besatzung durch den Satsuma-Clan 1609 und der Annexion via Erklärung zur Präfektur 1879 bis heute wurde Okinawa immer als Provinz zweiter Klasse gesehen (siehe die Art wie die japanische Regierung gegenwärtig den Ausbau militärischer Stützpunkte durchdrückt). Jede(r) in der älteren Generation der Okinawaner hat nahe oder ferne Verwandte im 2. WK verloren (mindestens ein Viertel der Zivilbevölkerung ist umgekommen). Auf der Hauptinsel waren sie massiver Diskriminierung ausgesetzt (daher hat sich z. B. Motobu Chôki in den 1920- und 30er Jahren standhaft geweigert, Standardjapanish zu sprechen, nicht weil er es nicht konnte!). Zu eben dieser Zeit wurde Karate von den Japanern usurpiert. Es war die Zeit des massivsten Militarismus und der militärische Drill, der die Dôjô bis dato beherrscht, kommt von dort (in Okinawa geht’s in der Regel viel lockerer zu). Der ‚ossu‘-Virus breitete sich vor allem über die Takushoku-Universität aka Takudai aus. Die Osserei ist nach meiner Erfahrung im Kyokushin-Karate am virulentesten, schließlich hat Mas Oyama zeitweise auch an der Takudai trainiert. Die Takudai war laut Gründungsauftrag dazu bestimmt quasi Kolonialbeamte heranzuziehen (Mandschurei, Korea etc.). Die JKA war nach ihrer Gründung 1949 lange von Takudai-Absolventen geprägt, Funakoshi Gichin wurde “kaltgestellt” und hatte nach dem Krieg keinen Einfluss mehr auf die Weiterentwicklung des Karate. Nach Okinawa konnte er nicht mehr zurück, da er sich den Japanern zu sehr angedient hatte. Jedenfalls ist ‚ossu‘ in Okinawa zu vermeiden. Die militärische Herkunft des ‚ossu‘ ist dort keine historische Fußnote. Drastischer Vergleich (der sicher nicht in allen möglichen Fällen stimmt): Ich kann auch nicht zu einem Juden der Holocaust-Generation sagen, er soll ein bisschen loslassen, wenn ich ihn mit “Heil Hitler” anspreche.
[…]
Der Heil Hitler-Vergleich ist vielleicht etwas überzogen. Vermutlich haben auch junge Karateka aus Okinawa, die für Olympia und mit Athleten von den Hauptinseln trainieren eine andere Haltung zum ‚ossu‘„
Ich möchte Dr. Herbert ihm für seine Zeit und die fachliche Auskunft wirklich danken!