Die Wahrheit über Krafttraining im Kampfsport – Mythen und Fakten (von Karate-Ben)

Erstmal mag ich (Karate-Ben) dem Philipp vom Karate-Campus für die Chance auf einen Gastartikel danken.

Vor meinem Karate-Weg war Kraftsport mein Lieblingssport. Bis heute hebe ich mehrmals in der Woche schwere Dinge hoch und habe tatsächlich Spaß dabei.

Das ist aber scheinbar eine ganz schlechte Idee, wenn ich Karate mache. Denn sehr viele Karatemeister (von denen keiner wirklich muskulös oder stark gebaut war) sagten mir eindringlich: Kraftsport und Kampfsport – das passt nicht zusammen. Gewichte heben, das macht dich und deine Bewegungen steif und langsam.

In diesem Artikel mag ich das mal ganz genau unter die Lupe nehmen. Was ist da dran?

 

Schritt 1: Die Profis anschauen

Bevor wir in die Sportwissenschaft gehen, lass uns erst einmal auf reale Resultate blicken.

Schauen wir uns mal ein paar der aktuell bekannten und erfolgreichen Karateka im Profisport an. Wenn du einen beliebigen von Ihnen in die Suche eingibst, wirst du feststellen: Obwohl jeder von Ihnen einen trainierten, muskulösen Körper hat, kann von Langsamkeit keine Rede sein.

Okay, ein paar muskulöse, aber dennoch schnelle Karateka aus dem Profisport wären ein recht platter Beweis gegen die These, dass Kraftsport langsam macht.

Gehen wir also tiefer.

Schritt 2: Krafttraining? Was ist das denn?

Dieser Gedanke, dass Krafttraining Kampfsportler langsam und unbeweglich macht, basiert oft auf einer unzureichenden Kenntnis dessen, was Kraft wirklich ist und wie sie trainiert wird. Es gibt nämlich nicht nur eine Art von Krafttraining, sondern verschiedene Ansätze, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Diese vier Hauptarten sind:

    1. Kraftausdauer: Hier geht es darum, eine Bewegung über einen langen Zeitraum ausführen zu können.
    2. Maximalkraft: Die Fähigkeit, möglichst schwere Gewichte zu heben. Dies bildet auch die Grundlage für die Schnellkraft, da ohne eine starke Basis keine schnelle Bewegung möglich ist.
    3. Hypertrophie: Hier liegt der Fokus auf Muskelwachstum, was durch eine moderate Anzahl an Wiederholungen erreicht wird.
    4. Reaktivkraft: Wer hier gut ist, ist in der Lage einen schnellen und starken Kraftstoß zu erzeugen. Das brauchen nicht nur Kämpfer, sondern auch Läufer und Springer.

Leider ist bei vielen älteren Menschen und somit auch bei vielen älteren Karatemeistern noch das Bild vom „Pumper“, der im Fitnessstudio nur auf die Muskelmasse Wert legt, aber gar keine echte Kraft hat, vorherrschend. Das war zwar damals schon falsch, hat sich aber bis heute bei einigen noch gehalten.

Der “Pumper” – oder wie man respektvoll sagen würde: „Bodybuilder“ – legt beim Training Wert auf Hypertrophie und den optischen Aspekt. Dies kann dazu führen, dass er im Fitnessstudio zwar stark ist , aber bei funktionalen Übungen, wie z. B. Liegestütze, ins Schwitzen kommt.

Das habe ich selbst erlebt als ich mit Karate angefangen habe. Ich bin vom Körperbau her nicht gerade zart, aber bei allem, was mit dem eigenen Körpergewicht trainiert wird, hatte ich am Anfang echte Schwierigkeiten und musste mein Training entsprechend anpassen.

Warum Krafttraining wichtig ist – gerade für Kampfsportler

Lasse uns erneut bei den Profis abschauen: Es gibt mehr als eine akademische Studie, die zeigt, dass Maximalkrafttraining die Schnelligkeit stark positiv beeinflusst. Als Beispiel hier eine Studie der Fachhochschule Wiener Neustadt.

Krafttraining ist eine wertvolle Ergänzung für jeden Kampfsportler. Es hilft nicht nur dabei, eine solide körperliche Grundlage zu schaffen, sondern bietet auch viele gesundheitliche Vorteile. Zum Beispiel haben andere Studien gezeigt, dass Menschen mit einer hohen Maximalkraft ein um 30% geringeres Risiko für Diabetes im Alter haben. Es geht dabei nicht darum, übermäßig Muskelmasse aufzubauen, sondern vielmehr darum, eine gesunde Balance zwischen Kraft, Ausdauer und Technik zu finden.

Viele Menschen, insbesondere Frauen, haben Vorurteile gegenüber Krafttraining, weil sie befürchten zu muskulös zu werden. Das Argument zerlegt sich allerdings selbst, wenn man länger als fünf Sekunden darüber nachdenkt.

Wenn man unkontrolliert schnell Muskeln aufbauen würde, würde ja schließlich keiner über Jahre hinweg trainieren.

Muskelaufbau ist ein sehr langsamer Prozess und es dauert lange, bis sichtbare Veränderungen eintreten. Du hast die volle Kontrolle darüber, wie weit du diesen Prozess treiben möchtest. Wenn du merkst, dass du mit deinem Aussehen zufrieden bist, kannst du das erreichte Niveau einfach halten.

Soll ich jetzt Kraftsport machen?

Also erstmal kommt es darauf an, was du willst. Wenn du einfach nur zwei mal die Woche dein Karate-Training machen magst und das eher als Gesundheitssport siehst, gibt es kaum einen Grund, den eigenen Körper auf so einer Detailstufe zu trainieren. Wenn dein Anspruch aber ein höherer ist, dann sind Schnelligkeit und Beweglichkeit entscheidend. Aber die kommen nicht allein durch Muskelkraft. Es geht auch um Technik, gezieltes Bewegungstraining und das richtige Zusammenspiel von Kraft und Bewegungsabläufen.

Ein einseitiges Training, das nur auf Kraftaufbau abzielt, ist da natürlich nicht zielführend. Und ja, es gibt Muskelgruppen, die einen wirklich langsamer machen können, wenn man sie zu stark trainiert. Wenn beispielsweise der Bizeps im Verhältnis zum Trizeps zu stark trainiert wird, kann das bei einer Schlagbewegung bremsen. Das ist dann aber kein vom Krafttraining herrührendes Problem, sondern eine durch falsches Training verursachte Dysbalance. Generell würde ich immer einen geschulten Trainer meinen Trainingsplan schreiben lassen. Geschult heißt mit einer Qualifikation im Bereich Fitness. Sei kritisch bei Trainingsempfehlungen aus dem Netz – auch bei denen von mir. Ich kenne weder deine gesundheitliche Vorgeschichte noch deinen Trainingsstand – das kann nur ein Trainer im direkten Gespräch einplanen.

Wenn dein Dojoleiter zwar großartige Karate-Kenntnisse hat, macht ihn das noch lange nicht zum Fitness-Experten, denn das sind zwei verschiedene Gebiete. Ein charakterlich entwickelter Karatemeister wird aber kein Problem damit haben, wenn du dir in einem professionellen Fitnessstudio eine zweite Meinung einholst.

Kritisch hinterfragen und das eigene Training gestalten

Mein Ziel mit diesem Artikel war es, einen Mythos in der Karateszene argumentativ zu widerlegen. Wenn dir jemand auf Basis seines Wissens einen Rat gibt, ist das ein Geschenk – und so gibt es mehr Wissen in der Welt.

Wenn aber auf Basis alter Vorurteile und Halbwissens ein Rat gegeben wird, dann gibt es mehr Halbwissen und Vorurteile – und das wäre wirklich schade.

Lass uns also kritisch, aber dankbar hinterfragen, was uns erzählt wird, mit Respekt für das Alte und mit Mut für das Neue.

 



Danke lieber Philipp, dass ich hier auf dem Karate-Campus dabei helfen durfte, mich mit einem der schlechten Ratschläge, die ich am häufigsten bekommen habe, auseinander zu setzen.

Wer mehr von mir lesen oder sehen mag, darf mich gern auf meiner Seite www.karateben.de oder meinem YouTube-Kanal besuchen. =)

Danke, dass du den Artikel zu Ende gelesen hast!

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