In diesem Artikel möchte ich erklären, warum Gürtel für mich an sich irrelevant sind, der Schwarzgurt aber dennoch ein wichtiger Schritt war und wie auch du deiner dir bevorstehenden Dan-Prüfung, welcher auch immer, mehr Bedeutung verleihen kannst.
INHALTSVERZEICHNIS
Schwellenübergangsrituale
Laut Douglas Gillette und Robert Moore sind das genau konzipierte Rituale, um den psychologischen Übergang vom Jungen-sein ins Mann-sein zu unterstützen. Solche Rituale sind in den verschiedensten und voneinander unabhängigen Naturvölkern zu finden. Sie unterscheiden sich oft voneinander in ihrer Durchführung, aber nicht in ihrem Zweck. Oft enthaltene Elemente sind Dunkelheit (z.B. in einer spärlich beleuchteten Höhle), Schamanen, Angst und Quasi-Tod-Erfahrungen, bei den der Junge glaubt zu sterben, sich aber nicht wirklich in Lebensgefahr befindet. Manchmal werden psychoaktive Substanzen eingesetzt, um den Effekt zu verstärken. Ziel so eines Rituals ist eine derart starke Erfahrung, die man so schnell nicht vergisst und die einen neuen Lebensabschnitt kennzeichnet. Früher waren solche Rituale weit verbreitet, sind aber mit der Zeit immer seltener geworden. Sie waren effektiv, denn sie unterstützten die kleinen Gemeinschaften, indem sie Männer produzierten, die sowohl Mut, als auch Verantwortung zeigten. Aufgrund der „Zivilisierung“ und Christianisierung wurden solche Rituale in modernen Gesellschaften nahezu komplett vergessen. Die Folge dessen sind verschwommene Grenzen zwischen dem Jungen- und dem Mann-sein, die dazu führen, dass manche Männer nie wirklich reif werden und sich wie kleine Jungen in erwachsenen Körpern verhalten. Das Patriarchat ist ein Produkt der sogenannten Jungen-Psychologie und hat nichts mit der eigentlichen, reifen maskulinen Natur zu tun (vgl. Moore 1990).
Heutzutage fehlen uns solche klaren Abgrenzungen in den Lebensabschnitten, also ersetzen wir sie durch Schein-Rituale wie den 18. Geburtstag, den Eintritt in den Wehr- oder Zivildienst, den Schulabschluss, das erste mal Sex, den Auszug aus dem Elternhaus oder andere Momente, die zunächst als wichtig erscheinen, es aber letztendlich überhaupt nicht sind. Nichts davon ist mit einer ernsthaften Prüfung, mit Angst und anderen starken Emotionen verbunden, zumindest nicht stark genug, sodass viele Männer auch nach dem Einzug in die eigene Wohnung immer noch von ihren Eltern, bzw. deren Meinung abhängig sind, oder dass sie auch im hohen biologischen Alter oft teilweise kindisches Verhalten (Homophobie, Machismus, Fanatismus etc.) ans Tageslicht bringen.
Was können wir machen?
Wir könnten uns eigene Rituale erfinden. Wenn es in deinem Land einen unlogischen Verbot zur Nutzung von psychedelischen Substanzen gibt und du nicht ins Ausland zu Schamanen reisen kannst, muss die Fantasie ins Spiel kommen, um sich ein solches Ritual einfallen zu lassen. Es muss aber auch nicht notwendigerweise etwas derart seriöses sein, wie der Übergang aus der Kindheit ins Erwachsenensein. Diese speziellen Rituale wurden über Jahrtausende entwickelt und durchgeführt und hatten einen enormen Stellenwert in der Gesellschaft. Man kann sich Schwellenübergangsrituale aber auch für jede kleinere und dennoch persönlich als wichtig empfundene Lebenssituation und Entscheidung überlegen. Im Karate könnte als ein solches Ritual z.B. der Erwerb des Schwarzgurtes dienen, sei es der Shodan oder jede beliebige höhere Stufe.
Aber warum überhaupt die Dan-Prüfung bedeutender machen? Ist das nicht ohnehin ein Lifetime-event? Ist das nicht ein Punkt, den man von seiner Bucket-list („Dinge, die ich vor dem Tod machen möchte“) streichen könnte?
Leider nein.
Wie die oben genannten Schein-Rituale zum Übergang ins Erwachsenensein, ist auch der Erwerb des Schwarzgurtes heutzutage in den meisten Fällen nichts besonderes mehr. Grund dafür ist die sogenannte Schwarzgurt-Inflation. Laut Wikipedia, bezeichnet Inflation „in der Volkswirtschaftslehre eine allgemeine und anhaltende Erhöhung des Güterpreisniveaus, gleichbedeutend mit einer Minderung der Kaufkraft des Geldes“. Was im Fachjargon etwas verwirrend klingt, bedeutet auf Karate übertragen, dass es immer mehr Schwarzgurte gibt und ihr Wert gleichzeitig immer weiter sinkt. Sicherlich hast du genug über McDojos und den Kauf von Dan-Urkunden gehört. In jedem Bereich, der etwas mit Titeln und Urkunden zu tun hat, gibt es Betrug und Korruption und damit ist Karate keine Ausnahme. Zugegeben, in Deutschland mag das Ganze nicht ganz so schlimme Züge anzunehmen wie in manch anderen Ländern, aber wer weiß was die Zukunft bringt?
Nun, ich hoffe, dass es besser wird und bleibe optimistisch, da durch das Internet eine Menge Bullshit zunichte gemacht wird. Es wird immer schwerer Menschen zu betrügen (egal wie sehr sie es selbst möchten), hier und da werden Ki- und Kyusho-Jitsu-„Meister“ bloß gestellt, während gleichzeitig die besseren (also realistischeren/logischeren/gesünderen) Werte und Lehren in den Vordergrund rücken und rasch verbreitet werden.
Meine Schwarzgurtprüfung
Mir ging es nicht anders als vielen anderen Karateka in Deutschland: Angefangen in einem Dojo, das an einen der zwei größten Verbände Deutschlands angeschlossen war, musste ich mir den üblichen Unsinn über den Waffenverbot und die geheimen Karatetechniken als Schutz vor den bösen Samurai anhören, sowie den Prüfungsordnungen folgen. Hätte ich nicht früh genug angefangen über den Tellerrand zu schauen, Lehrgänge zu besuchen und einfach unabhängig von den anderen zu trainieren (was zwar für einige Zeit gut geht, nicht aber für immer), so wäre ich wahrscheinlich noch heute in diesem Dojo, vielleicht zufrieden, aber kein Stückchen weiser. Ich würde eine Illusion leben, mir und anderen nur etwas vormachen.
Es kam aber anders. Trotz des Blickes über den Tellerrand, hatte ich, ohne eines kompetenten Lehrers in meiner Nähe, hin und wieder Zweifel daran, ob und wie ich diesen Weg der Verbandslosigkeit und der damit einhergehenden Unsicherheit beschreiten sollte. Wer würde mich schon so ganz unabhängig prüfen wollen? Deshalb beschloss ich noch in dem Verband zu bleiben. Mein Training wollte ich immer noch selber strukturieren und die Inhalte aussuchen, aber die Prüfungen in dem Verband machen und mich entsprechend, wider Willen, an die Prüfungsordnung halten. Ich hatte aber dennoch gehofft, dass die Schwarzgurtprüfung mir helfen könnte mich psychologisch von diesem sogenannten traditionellen Karate* zu trennen. Also machte ich in diesem Verband meine Prüfung zum Shodan.
Die Prüfung war einfach nur Mist. Acht Leute wurden gleichzeitig geprüft und während sie durch die Halle stolperten, wurden sie von nur zwei Lehrern beobachtet. Am Ende hatten alle bestanden und die nächste Gruppe war dran. Insgesamt wurden an diesem Abend, so meine ich, über 100 Leute geprüft. Alle bekamen die schicke Urkunde, alle lächelten, schüttelten einander die Hände, machten Fotos. Auch ich hatte mitgemacht, weil ich aufgeregt war, obwohl ich im inneren eine zerfressende Leere spürte. DIES sollte mein Schwellenübergangsritual sein, damit ich endlich meinen eigenen Weg beschreiten könnte und ich fühlte mich total unterfordert und wie auf einer Massenabfertigung. So als wäre ich in einer minderwertigen Mensa gelandet, während ich etwas gesundes und leckeres zu essen haben wollte und auch bereit war dafür zu zahlen.
Ich will nicht sagen, dass ich herausragend gut bin, aber ich habe schon gewisse Anforderungen an mich, denn ich möchte nicht nur laut reden und ein sogenannter Kuchi-Bushi (Mund-, bzw. Tastatur-Krieger) sein, sondern hinter meinen Worten mit Taten stehen. Diese Prüfung war aber definitiv zu einfach. Zusammen mit mir wurde eine Frau geprüft, der ich nicht man den 5. Kyu verliehen hätte, weil sie keine Technik, keine Koordination und kein Gleichgewichtsgefühl besaß, dafür aber einen zu lauten Kiai machte und ein böses Gesicht aufsetzte. Doch auch sie bekam ihre Shodan-Urkunde. Natürlich sollte man sich nicht mit anderen vergleichen, aber das sagt doch schon einiges über das Anforderungsniveau in dem Verband aus. Ich wollte nur noch weg von da. An dem Tag habe ich beschlossen aus dem Verband auszutreten, auch wenn es bedeutet hätte, dass ich fortan immer ohne „Zugehörigkeit“ herum irren müsste.
Die zweite Prüfung, die ich wirklich brauchte
Glücklicherweise habe ich einen Monat später die Schwarzgurtprüfung bei einem Lehrer meines Vertrauens nachholen können und das ganz unabhängig von Verbänden und der politischen Seite des Karate. Dieser Lehrer erklärte sich dazu bereit mich im Anschluss an seinen Naihanchi-Lehrgang zu prüfen. Von seinen Lehrgängen ich stets sehr beeindruckt und besuchte viele davon, denn jedes mal ging ich mit einem dampfenden Kopf nach Hause und war erschrocken darüber wie viel ich noch lernen müsste… Aber ich war dann auch immer erfreut und gespannt darauf die Inhalte in das eigene Training zu übernehmen!
Der Naihanchi-Lehrgang hatte für mich eine ganz besondere Bedeutung, denn er war perfekt als Vorbereitung für den Übergang geeignet. Der Lehrer animierte die Teilnehmer dazu viele Konzepte grundlegend zu überdenken und hatte dies stets mit Beispielen und Demonstrationen gut begründet. Die Herangehensweise an eine „Grundkata“ wie Naihanchi und die Erklärungen dazu waren für mich revolutionär und trugen zusammengefasst folgende Botschaft in sich: „Ab einer bestimmten Stufe sollte dein Karate so sein, wie du es brauchst. Du darfst dich nicht durch Namen und Stile einschränken lassen, musst vor niemandem Rechenschaft ablegen und du musst die politischen Spiele nicht mitspielen. Wenn du weißt, dass dein Karate sinnvoll, realistisch, praktisch und gesund ist, dann brauchst du nicht mehr als das.“
Das war genau das, was ich für mein perfektes Ritual brauchte.
Nach vielen Stunden der Praxis UND Erklärung (ein Teil, der bei vielen Lehrgängen leider zu kurz kommt und nur oberflächlich ist) war meine Prüfung dran. Ein Lehrer, ein Prüfling und ein Partner, an dem man zum Schluss ausgewählte Kata-Anwendungen (ich sage bewusst nicht Bunkai) demonstrieren sollte. Das Feedback war wirklich bestätigend, denn ich erfuhr von jemandem, dessen Beurteilung ich diesmal vertraute, dass ich den Shodan tragen darf. Der Lehrer bereitete mich aber auch auf die Zukunft vor, da ich von ihm Anreize für die Verbesserung meiner Bewegung und das weitere Training erhielt. Wenn die erste Prüfung mit dem Gefühl der Enttäuschung verbunden war, so hatte ich hier genau das gegenteilige Gefühl – ich war inspiriert!
Vielleicht ging es dir ähnlich. Vielleicht warst auch du zuerst enttäuscht, hattest die Schule, den Stil, oder sogar die Kampfkunst gewechselt… Das ist alles nicht verkehrt. Doch ich würde nicht so weit gehen. Alles was man, meiner Meinung nach, für eine erfolgreiche Schwarzgurtprüfung braucht, ist ein Lehrer, dem man vertraut, eine Absicht („das wird mein Meilenstein sein, danach wird vieles anders“) und die Distanz zur Politik. Insofern kann sich jeder Karateka jede seiner höheren Prüfungen in ein Schwellenübergangsritual verwandeln und damit seine Kampfkunst enorm bereichern, vorausgesetzt man macht es richtig und spielt das Ritual nicht nur vor. Dafür sollte man sich über Rituale erkundigen, am besten in entsprechender Fachliteratur (z.B. Joseph Campbell, Robert Moore, Elliott Hulse).
So könnte man dem Schwarzgurt wieder Bedeutung verleihen.
Diesmal ist es aber eine echte, äußerst persönliche Bedeutung und nicht nur das, was jemand „da oben“ beschlossen hat und was man anderen demonstrieren darf. So sollte es eigentlich sein. Wenn du ein eigenes Dojo hast, kannst du die Regeln selber festlegen und für die Schüler das Training und den gesamten Werdegang positiv beeinflussen, indem du z.B. solche Rituale einführst. Geht als Gruppe in den Wald zelten, tanzt, macht dabei von mir aus einen Vollkontaktkampf (natürlich mit Einverständniserklärung und sämtlichen Sicherheitsvorkehrungen), verbrennt Räucherwerk zu lauter Musik und mit Feuer, schreibt die Absichten und Ziele nieder und lest sie vor der gesamten Gruppe laut vor… der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Wichtig ist nur, dass niemand gezwungen wird. Mache aber bitte eines nicht: Dinge, die mit der Zeit zu Ritualen wurden, von deren Ursprüngen und Absichten du keine Ahnung hast, mit den du dich nicht identifizieren kannst, dich aber gezwungen fühlst mitzumachen.
Wenn du Ideen zu Ritualen hast, oder in deinem Dojo bereits welche praktizierst, dann hinterlasse doch bitte einen Kommentar darüber und inspiriere andere Leser, oder schicke mit eine E-Mail und wenn du möchtest, poste ich eine Auswahl der Rituale auf diesem Blog.
Und wenn dieser Artikel dir gefallen hat, dann könnte diese Ergänzung auch interessant für dich sein!
*Ich habe den Begriff „traditionelles Karate“ hier hervorgehoben, weil diese spezielle Form des Karate eigentlich eine am Wettkampf orientierte Form ist und aus Japan der 60-er Jahre stammte, die nur als traditionell bezeichnet wird, um sie wichtiger erscheinen zu lassen. Das ist ein weit verbreitetes Phänomen auf der ganzen Welt und ist für das Karate allgemein sehr schädlich, da sie den ahnungslosen Anfängern von vornherein die Illusion vorgaukelt, sie würden etwas altes (und damit automatisch sinnvolles) lernen.
Ich habe bis zum 1. Kyu alle Prüfungen gemacht, habe aber dann das Interesse verloren den 1. Dan zu machen.
Der Grund dafür war und ist, dass es eigentlich egal ist, welche Farbe der Gurt hat.
Außerdem kenne sehr, sehr viele Dan-Träger, die sehr, sehr schlechtes Karate ausüben und noch viel, viel schlechteres Karate „leeren“.
Lieber ein sehr guter „Braun-Gurt“ als ein schlechter DAN-Träger.
Ja, so kann man es natürlich auch sehen und machen. Oder man macht es so wie ich es beschrieben habe, oder wiederum ganz anders.
Aber sich den Schwarzgurt zu verwehren, nur weil es haufenweise miserable Schwarzgurte gibt, ist für mich kein Grund. Am Ende steckt hinter so einem Gedankengang oft die Angst mit den schlechten verglichen zu werden. Wenn man aber selbst weiß wo man steht, dann kann man von mir aus den pinken Gürtel tragen und es ändert nichts an der eigenen Einstellung dazu. Im Prinzip so, wie du es mit dem Braunen machst.
Hallo Philipp,
Glückwunsch zu deiner schönen Seite. Interessante Artikel.
Als ich diesen hier lass, musste ich direkt an meine erste Danprüfung zurück denken.
Auch wenn es schon viele Jahre her ist, weiß ich noch – es ging mir ganz ähnlich wie dir. Nur hatte ich mich damals schon vorher, ganz bewusst, von einem der beiden größten Karate Verbände getrennt. Shihan Ochi sollte mich prüfen. Er ist immerhin der einzige der Danprüfungen abnehmen darf und hat, gerade was Kata angeht, einen hohen Anspruch. Viele Dinge, die mir damals wichtig waren, erfüllte dieser Mann; und tut es zu Teil heute noch. Aber schön, das deine zweite Danprüfung deinen Erwartungen entsprach und dir ein gutes Gefühl geben konnte.
Was nun die Prüfung an sich angeht, so ist sie doch nur reine Formsache. Gerade in größeren Verbänden ist es gar nicht anders möglich sie so, wie Du es beschrieben hast, durch zu führen. Aber selbst wenn wir uns ein ähnliches Szenario vorstellen, wie bei Deiner zweiten Prüfung, ist sicherlich kein großes Ritual von Nöten. Schon gar nicht ein Schwellenritual. Ach wenn ein Feuer im Wald, inklusive Nutzung von psychedelischer Substanzen (sei ein Verbot auch noch so unlogisch), verlockend klingt. Mein alter Sensei pflegte immer zu sagen:“Kommt Zeit,kommt Dan“. Natürlich ist eine Danprüfung etwas besonderes. Immer. Aber sie ist kein Meilenstein der Dir eine Tür zu einer neuen Welt öffnet, zu welcher Du vorher keinen Zugang hattest. Ansonsten ist es sicherlich schön, wenn möglichst viele Menschen auf Deine neue Graduierung (2.,3. oder 4.Dan) aufmerksam gemacht werden. Das geht aber auch auf eine wesentlich unspektakuläre Weise. Bei uns z.B. kommt ein Bild mit einem Zweizeiler auf die Facebookseite. Ein liebevoll gestaltetes und gerahmtes Schild wird am Eingang auf den Tresen so platziert, dass es jeder beim Reinkommen sehen muss. Die Danurkunde wird, neben all den vielen anderen, im Vorraum an die Wand gehängt. Letzten Endes ist wichtig wer Dich geprüft hat und nicht die Prüfung selber. Diese sollte allerdings in einem würdigen Rahmen stattfinden. Da gibt es, sogar bei einem Hiroshi Shirai, extrem negative Beispiele.
ki o tsukete kudasai (気をつけて下さい)
Hallo Gunnar,
vielen Dank für deinen Kommentar! Natürlich ist die Danprüfung an sich nichts, was mir neue Türen öffnet, die ich schon vorher nicht betreten konnte. Aber darum geht es im Artikel auch nicht. Es geht darum, dass gerade diese immer weniger wichtigere Dan-Prüfung, für jeden sehr individuell besonders gemacht werden kann. So kann jeder seine Prüfung zu seinem persönlichen Ritual machen und evtl. auch anderen dabei helfen, die von den modernen Trends enttäuscht sind. Let’s make Karate interesting again! xD
Moinsen,
„Let’s make Karate interesting again!“ Da bin ich ganz bei Dir. Karate wieder interessant zu machen. Natürlich ohne dabei etwas hineingeheimnissen oder mystifizieren zu wollen. Schätze das ist auch ein Grund, warum wir beide unter die Blogger gegangen sind.
ki o tsukete kudasai (気をつけて下さい)
Hallo Philipp,
ich bin auf der Suche nach Trainingsinspiration auf Deiner Seite gelandet und dieser Artikel ist für mich sehr aufschlussreich. Ich selbst sehe den Shodan als Ziel, als Leuchtfeuer auf das ich zulaufe… Das bleibt auch nach Lektüre deines Artikels so.
Was mich so nachdenklich macht, ist, dass man selbst bei den Kyu-Grad Prüfungen eine solche innere Leere verspürt, wenn jemand mit unglaublichen (schlechten) Leistungen einen Gürtel umgeschnallt bekommt.
Es ist eben nicht nur das Innenbild, die eigene Motivationslage, das sich heftig verändert – es ist auch die Außenwirkung, die mit solchen Prüflingen/Prüfungen verbunden ist. Welches Licht wirft es auf den Trainer, auf den Verein oder gar auf den Prüfer als Mensch?
Und ich glaube, diese Wirkung auf den Prüfer sollte man auch beleuchten: wie muss es sich anfühlen, einen Prüfling mit mangelhaften Leistungen durchzubringen? Es wäre für mich ganz klar eine Verletzung der eigenen Prinzipien und würde mich deprimieren. Wie kommen diese „Leute“ damit klar?
Vielen Dank für den Artikel !
Viele Grüße
Marcus
Hallo Marcus,
und vielen Dank für diesen tollen Kommentar! Du sprichst eine sehr interessante Sache an und ich versuche darauf zu antworten:
Wie fühlt sich ein Elternteil an, wenn es beim Einkaufen und Bezahlen an der Kasse das eigene kleine Kind anbrüllt, weil es sich langweilt und nicht still neben dem Einkaufswagen stehen kann (ich war schon sehr oft Zeuge von solchen Fällen)? Das Elternteil rechtfertigt das eigene Verhalten, indem es denkt, dass das Teil der Erziehung sei: „Man wurde selber ja auch angebrüllt und das Kind könnte doch auch EIN MAL still sein!“. Solche Menschen distanzieren sich unbewusst von den Gefühlen des Kindes und stumpfen ihre eigene Empathie ab, um ja nicht zu fühlen wie sehr sie es verletzen. Noch schlimmer wird es, wenn die Rechtfertigung so weit getrieben wird, dass sie glauben dem Kind damit etwas Gutes zu tun. Eine ähnliche Distanzierung machen sicherlich auch die psychopathischen Menschen, die den Auftrag aufgeben einen Teil des Regenwaldes im Amazonasgebiet abzuholzen, oder diejenigen, die den Auftrag durchführen („irgendwie muss ich meine Familie ja ernähren“).
Die Beispiele scheinen zwar weit hergeholt zu sein, doch die menschliche Psyche funktioniert immer nach den gleichen Prinzipien, unabhängig von der Situation. Ich bin mir sicher, dass auch solche Trainer und Prüfer in irgendeiner Form verleugnen und/oder ihre Handlung rechtfertigen, denn das ist die beste Möglichkeit, die das Unterbewusstsein kennt, um sich selbst nicht schlecht zu fühlen. Wer über die eigene Handlungen nicht reflektiert nachdenken kann, wird immer ein Opfer solcher automatisierten Mechanismen bleiben und sich selbst sowie den Menschen um sich herum schaden.
Der im Artikel genannte Stephan Yamamoto macht sich aber schon Gedanken über ordentliche Prüfungen. Er hatte z.B. die Prüfungsordnung seines Dojo (Shushukan) mehrmals überarbeitet. Jetzt gibt es z.B. nur noch den weißen, den braunen und den schwarzen Gürtel. Das ist zwar weniger attraktiv für neue Schüler, da sie ihren Fortschritt nicht mehr so leicht und oberflächlich nach außen zeigen können, zeigt aber die Seriosität, mit der er da dran geht. Es gibt leider nur sehr wenige Lehrer und Prüfer, die so frei und unabhängig vorgehen und die Prüfungsordnung ändern können. In großen Verbänden und den ihnen angeschlossenen Vereinen braucht man, so fürchte ich, nicht danach zu suchen. Dann steht man aber vor einem anderen Problem da: Wenn man die Prüfung nicht bei einem „offiziellen“ Verband macht, dann wird es doch gar nicht von den Japanern/Okinawanern anerkannt „die ja das Sagen haben“. Also gehen viele den scheinbar einfacheren Weg, zahlen noch 70 € dazu, um in die Dan-Rolle eingetragen zu werden, damit ihr Ego aufzuwerten und finden sich mit der Eintönigkeit des Trainings ab. Das ist wie mit Arbeit, die man nicht mag, bei der man aber gut bezahlt wird: Ein Mal im Monat (alle fünf Jahre), bekommt man den Lohn (die neue Urkunde) und das hindert einen daran den riskanteren Weg zu gehen. Die meisten Lehrer und Prüfer sind in Wirklichkeit Gefangene ihrer eigenen unbewussten Angst.
Ich hoffe, dass ich deine Fragen beantworten konnte. Vielen Dank nochmal für den Gedankenanstoß! Ich glaube, ich mache einen Artikel daraus. 🙂
Beste Grüße,
Philipp
Was soll ich noch sagen oder schreiben, habe schon so viel zu Papier gebracht für mich und teilweise auch abgeschickt an die höheren Danträger in dem bekannten Verband, der nun zielstrebig auf Olympia hin arbeitet und die Jukuren vergisst, die den Verband mittragen. Eine Antwort gab es nie von den mittlerweile hoch graduierten Danträgern(7. und 9. Dan). Sie wissen keine und das macht mich traurig und böse zugleich. Ich bin ja nur einer von vielen mit dem 4. Dan, mittlerweile 70 Jahre jung und störe nur mit meinen Ansichten. Letztes Jahr habe ich angemeldet zur Prüfung für den 5. Dan, bin aber auf Anraten vin einem der beiden Prüfer nicht angetreten, und so hat jeder sein Gesicht gewahrt. Nur dumme Fragen musste ich mir anhören wie „wer hat dich denn vorbereitet?“ und die Aussage „überlege es dir nochmal“. Und das am Abend vor dem Termin. Egal, abgehakt, aber weiter im Kampf gegen solche Trainer, die nur das äusseriche beurteilen können, aber nie den Menschen dahinter und dessen Entwicklung über die Jahre hinweg. Zu den Ritualen bemerke ich, daß ich nicht in den Wald gehe und Vollkontaktkämpfe austrage in meinem Alter, auch mag ich keinen Zelturlaub mehr, sondern bevorzuge eine entsprechende Umgebung. Unabhängig davon stimme ich voll zu, daß die Prüfungen nichts, aber auch wirklich nichts mit Karate Do zu tun haben, sondern einer Abfertigung und Durchschleusung von Breitensportkaratekas dienen. Trotzdem gebe ich nicht auf vor mir selbst und werde den Weg weiter gehen, auch gegen den Strom schwimmen. Ich kenne einige wenige Trainer, die innerhalb des Verbandes ihren Weg gefunden haben und werde mich an sie wieder verstärkt wenden. Und wenn mich nochmal jemand fragt, wer mich vorbereitet hat, dann erwidere ich „Das Leben“.
Danke für deine guten Artikel
Hallo Wolfgang und vielen Dank für deinen Kommentar!
Die Vorschläge zu den Aktivitäten, die begleitend zur Prüfung gemacht werden könnten, waren nur Ideen und auch eher an jüngere Männer gerichtet, den heutzutage solche Schwellenrituale fehlen.
Ich habe festgestellt, dass es einem nur die Energie raubt, wenn man gegen den Strom schwimmt. Am besten man macht einfach sein Ding, ganz unabhängig, mit viel Spaß und mit Freunden. Mehr braucht man wirklich nicht. Organisationen? Verbände? Pah…
Jedenfalls wünsche ich dir viel Erfolg auf deinem weiteren Weg! 🙂
Wolfgang Schöngale,
Dein letzter Satz ist genau das was Dich und Deinen Weg auszeichnet. Da bekomme ich beinahe Gänsehaut.
Schwarz bleibt schwarz, das Leben hat Dir echte Prüfungen abverlangt. Ohne Diplomurkunde mit unendlicher Kreis. Darauf kommt es doch eigentlich an, Im Herzen bist Du Karateka. Die Prüfung an sich ist nicht mehr als eine kurzweilige Sichtung von Technikfolgen, abhängig von der Tagesform.
Sei herzlich gegrüßt.
Dietmar