8 Wege, um dein Karate zu zerstören (Teil 2)

Das ist der zweite Teil des Artikels, in dem ich dir acht Wege nenne, die garantieren, dass du entweder enttäuscht mit Karate aufhören, oder nie ein bestimmtes (niedriges) Level übersteigen wirst, wenn du diese gehst. Den ersten Teil des Artikels findest du hier.

 

5. Verzichte auf das Aufwärmtraining

Hiermit meine ich nicht, dass man sich aufwärmen sollte, um das Verletzungsrisiko zu mindern. Obwohl das auch beachtet werden sollte, strukturiere ich mein Training meistens so, dass mögliche Verletzungen, wenn überhaupt, dann nur sehr selten auftreten könnten. Wer mich kennt, weiß auch, dass ich nichts vom Laufen im Kreis, Hampelmann, Liegestütze und Situps bis zum Gehtnichtmehr halte. Aufwärmen bedeutet für mich nicht, dass man ins Schwitzen kommen muss, sondern dass man die Bereiche, die man für das kommende Training braucht, gezielt innerviert und vorbereitet. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass nicht zu viel Energie verbraucht wird, um noch genug für das Training zu haben, dafür kann man das Aufwärmtraining aber schön lange machen. Ich empfehle bis zu 30 Minuten Yoga und ganz lockeres und langsames Kihon.

Vergesse nicht, dass das Gehirn etwa 25% deiner gesamten Energie verbraucht. Wenn du also schon alles beim Aufwärmen verbraucht hast, dann wirst du im Training nach und nach den Kopf abschalten und somit an der falschen Stelle sparen.

 

6. Folge dem Motto „eine Stunde Praxis ist wichtiger als 1000 Stunden Theorie“

Einer meiner ersten Lehrer liebte diesen Spruch und setzte ihn oft als Schutzschild ein, wenn ich etwas ansprach, was er nicht erklären konnte. Natürlich ist es enorm wichtig ausreichend praktisch zu trainieren, um nicht nur ein Kuchi Bushi („Mund-Krieger“) zu werden, sondern auch real Karate zu beherrschen. Es ist aber in meinen Augen ebenso wichtig sich auch außerhalb des Dojos intensiv mit möglichst vielen theoretischen Aspekten der Kampfkunst und des eigenen Trainings zu befassen. So vermeidet man Stagnation, Irrglauben und Mystifizierung und hält durch den neuen Input seine Motivation an der Kampfkunst stets aufrecht.

Der o.g. Lehrer sagte z.B. auch, dass ein Nukite (am Beispiel des Heian Nidan) dazu da sei, damit man lerne eine Samurairüstung zu durchdringen. Abgesehen davon, dass jedem einigermaßen klar denkenden Menschen die Vorstellung davon als irrsinnig erscheinen dürfte, wäre es nicht verkehrt zu wissen, dass die Begründer des Karate es üblicherweise nicht nötig hatten gegen Samurai zu kämpfen und deshalb Techniken mit solchen Funktionen gar nicht erst in das Repertoire der Kampfkunst (Kata) aufnehmen würden. Wenn man das weiß, dann kann man sich denken, dass ein Nukite andere, realistischere Anwendungen haben müsste. Solche Annahmen wie die o.g. verwandeln eine seriöse Kampfkunst mit einem klar definiertem Ziel in eine romantisierte, mystifizierte und wässrige Abwandlung ihrer selbst, was im Sinne der Selbstverteidigung nicht praktisch ist und leichtgläubige Menschen auf dumme Ideen bringen könnte.

 

7. Vergleiche deinen Fortschritt mit dem der anderen

Die Gürtelfarben wurden eingeführt, damit die Schüler und ihre Kollegen einen Anhaltspunkt haben, um seinen Fortschritt ungefähr zu messen und damit ihr Training ungefähr anzupassen. Und ja, wahrscheinlich auch, um die neueren Schüler lange genug zu motivieren, bis sie es nicht mehr nötig hätten. Dies wurde aber nicht gemacht, um wettkampfähnliche Bedingungen innerhalb eines Dojos, bzw. zwischen den Dojos zu schaffen. Einst hatte ich, als ich noch am Anfang meines Weges stand, auf einem Lehrgang eine Gruppe von fortgeschrittenen Karateka (ab. 3. Kyu) beobachtet und zu meinem Sitznachbarn gesagt, dass der eine Braungurt in der Reihe eine sehr schlechte Technik hätte. Darauf meinte mein Nachbar zu mir, dass dieser seinen eigenen Weg geht, mit eigenen Zielen. Es sei nicht meine Aufgabe ihn dafür zu kritisieren. Das hinterließ einen Eindruck bei mir. Und wenn ich heute noch Karateka sehe, die in meinen Augen ihren Gürtel nicht verdienen, dann will ich sie nicht mehr mit mir vergleichen, denn damit würde ich nur meinen eigenen Unsicherheiten die Macht über mein Denken geben.
Klar, ein gewisses Fertigkeitsniveau sollte innerhalb eines Dojos/eines Verbandes gehalten werden, wenn es für mich persönlich aber zu niedrig ist, dann brauche ich da nicht mitzumachen. Man kann den qualitativen Untergang des Karate beweinen, oder man macht es selber besser und ist ein Vorbild für andere. Welchen Wolf fütterst du?

 

8. Trainiere mit gleich starken Partnern

Dieser Punkt sollte ziemlich klar sein: Wenn du immer nur mit Partnern trainierst, die genauso stark sind wie du, oder sogar schwächer, dann wirst du nicht besser werden. Mache deine Trainingsintensität von Zeit zu Zeit abwechslungsreich und stelle dich Herausforderungen. So kannst du dich mental halbwegs auf eine unerwartete Situation auf der Straße vorbereiten.

Natürlich meine ich, wenn ich vom Partnertraining rede, ein Training, das für die Realität vorbereiten soll. Gohon und Sanbon Kumite (so wie viele andere Formen des klassischen JKA-Kumite) werden also von mir ausgeschlossen. Bei diesen Übungen ist es egal wie stark der Partner ist, denn solche Elemente wie Widerstand des Partners und realistische Angriffe (rechter geschwungener Haken, „Flasche“ von oben etc.) spielen da von vornherein keine Rolle. Übe realistisch!

 

9. Bonuspunkt: Distanziere dich als „Traditionalist“ von den „Wettkämpfern“, denn sie wissen nicht, was sie tun…

Diesen ganzen Mist mit künstlichen Grenzen, Schubladendenken und Gruppeneinteilungen (tribalism) gibt es schon seit Jahrtausenden und meistens steht eine unreife Persönlichkeitsstruktur (individuell und global) dahinter. Tue dir einen Gefallen und lasse das „wir gegen sie“-Denken weg, denn es wird dich nur aufhalten. Abgesehen davon sind viele, die sich im Karate als „Traditionalisten“ bezeichnen und am lautesten über die „Wettkämpfer“ schimpfen, sich selbst nicht im Klaren, dass ihre „Tradition“ etwa 60 Jahre alt ist und auf dem Wettkampf basiert. Wenn du also trennen willst, dann bitte nicht Menschen, sondern Trainingsprinzipien, Gründe, Herangehensweisen… Und wenn du das tust, dann sei dir selber bewusst warum du diese von den anderen trennen möchtest, bzw. das Gefühl hast es tun zu müssen. Ich trainiere z.B. um eine möglichst effektive Selbstverteidigungsmethode zu erlernen und meine Gesundheit zu erhalten, nicht um Pokale zu sammeln – das ist eine klare Abgrenzung, bei der ich jedoch nicht über die andere Herangehensweise schimpfe und schon gar nicht über die Leute, den das gefällt.

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4 Kommentare, sei der nächste!

  1. Servus Philipp,

    danke für diesen tollen Zweitteiler. Es war echt interessant deinen Gedanken zu folgen. Ich sehe es ähnlich wie Du und möchte dich mit diesem Kommentar bestärken diesen Blog mit Leben zu füllen. Der deutsche Markt bietet so wenige gute und seriöse Kampfkunst-Blogs mit deutschen Inhalten. Bleib am Ball!!

    Um noch etwas zu diesem Zweiteiler direkt zu sagen. Mir ist aufgefallen, dass viele Karateka, die mir auf meinem Weg begegnet sind, diese 8-9 Eigenarten inne hatten. Dabei sahen sie diese aber nie als Zerstörung ihres Weges an, sondern glauben darin ihre Erfüllung zu finden.
    Ich frage mich deshalb manchmal, sind wir die Fehlgeleiteten? Oder wie schaffen wir es den Menschen einen neuen Horizont aufzuzeigen?

    LG Basty

    1. Hallo Basty,
      vielen Dank für deinen tollen Kommentar. Es freut mich, dass wirr viele Dinge ähnlich sehen. 🙂
      Was die Fehlgeleiteten angeht, da mag ich es in andere Lebensbereiche zu blicken und dort die Folgen anzuschauen. Was passiert denjenigen, die auf einen „Führer“ hören ohne zu hinterfragen? Sei es in der Erziehung, der Politik, oder Religion: Viele werden früher oder später enttäuscht und wenden sich ab, oder sie unterdrücken ihre negativen Gefühle, bis sie erkranken. Warum soll das in der Kampfkunst anders sein? Die Kampfkunst ist nur ein Spiegel des Lebens. Und wer hat am Ende die Kaputten Knie und künstlichen Kniegelenke? Wer macht Karate nur noch, weil sie dort ihre Freunde wieder treffen? Dann könnten sie auch genauso gut Fußball machen. Sie mögen sich zwar darin erfüllt sehen, doch ihr Karate haben sie trotzdem ermordet und leben in einer Illusion. Weder du noch ich können sie da raus holen. Das mit dem neuen Horizont passt perfekt. Kennst du Platons Höhlengleichnis? Sie müssen es selbst erkennen und viele wollen es einfach nicht. Versuche es nicht, sonst gehst du selber daran unter. Meinen (und deinen) Blog kann man lesen, oder man lässt es sein. Wem es hilft, für den ist das gut, aber allen helfen kann man definitiv nicht.

  2. Als Traditionalist mit dem 23. Dan muss ich ganz klar sagen, dass diese Verherrlichung von Wettkämpfen nicht geht – mein Karate ist ohnehin so mächtig, dass sich mein Gegner nach dem ersten Tsuki (mit Hikite und Kime) in 80 kg grobe Mettwurst verwandelt – das kann in einem Wettkampf nicht genutzt werden – es ist zu tödlich. Genau wie meine Brustkorb spaltende Nukite.

    Ob ich das schon mal getestet habe? Um Himmels Willen, Partnertraining verdirbt mir die Technik, das habe ich nur aus täglichem Kata-Training.

    *Ironischer Anfall Ende*

    Danke für den Artikel – du triffst die Probleme gut auf den Punkt.

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